Eine Truppenpartnerschaft mit einem britischen Reservisten-Bataillon der Infanterie bahnt sich an
Text FR Matthias H.
Unterstützungsbataillon Einsatz 1 / Gründungsmitglied & 1. Vorsitzender Oldenburger Jäger e.V.
Eine Truppenpartnerschaft zwischen zwei Reserverbänden der Infanterie wäre eine neue Entwicklung in der Geschichte der Reserve. Vielleicht wird dies bald Wirklichkeit zwischen dem Unterstützungsbataillon Einsatz 1 in Oldenburg und dem 3rd Battalion des Royal Anglian Regiment in Ostengland.
Erste gegenseitige Besuche dazu gab es bereits. Im September 2022 waren der britische Kommandeur LtCol Haggar und sein Adjutant in Oldenburg. Im Oktober war unser Kommandeur, Oberstleutnant Wolfermann, zusammen mit einer kleinen Delegation in Norwich, Bury St. Edmunds und auf dem Truppenübungsplatz Stanta.
Nach einigen Vorbereitungsgesprächen per Videokonferenz, u.a. mit dem britischen Kommandeur, war mein erster Termin vor Ort bei der 1. Kompanie (1 Company) in Norwich. Dort traf ich Captain (Hauptmann) Tim J., der mir einen sehr guten Einblick in die Kompanie gab. Dabei erfuhr ich Erstaunliches: Fast 90% der Soldaten des Bataillons waren nie aktive Soldaten, sondern dienen von Anfang an als Reservisten, was daran liegt, dass die Briten bereits 1960 die Wehrpflicht abschafften. Die Kompanie hat neun (nicht fünf wie ich im Video unten sage) Vollzeit-Angestellte, entweder aktive Soldaten, Vollzeit-Reservisten oder Zivilangestellte. Sie sind verantwortlich für Organisation, Material, Übungsvorbereitungen, Buchhaltung, Reservistenbetreuung, Einsatzvorbereitung etc. Die Kompanie hat eigene Waffen, Fahrzeuge und anderes Gerät. Sie übt jeden Mittwochabend, an mehreren Wochenenden und führt zwei bis drei Wochenübungen durch. Zusätzlich wird jährlich eine 2-Wochen-Übung veranstaltet (teils auch im Ausland), die verpflichtend ist für alle Soldatinnen und Soldaten, die eine Bonuszahlung erhalten wollen. Es besteht eine enge Verbindung zu den aktiven Bataillonen des Regiments und einzelnen Soldatinnen und Soldaten, manchmal auch ganze Einheiten oder Teileinheiten, gehen bzw. gingen mit eben diesen aktiven Bataillonen in den Einsatz, über die Jahrzehnte hinweg nach Afghanistan, Bosnien, Zypern, Irak, Kosovo und Nordirland.
Cpt J. (seit 37 Jahren in der britischen Armee) ist z.B. der PSAO (permanent staff admin officer), eine Art Adjutant des Kompaniechefs, damals noch Major Matt B. (ein Reservist). Beide sind sehr angetan von der Idee einer Partnerschaft. Cpt J. ist ein Verfechter von "force on force" Übungen und hatte gleich die Idee, dass wir z.B. ein Übungsgehöft auf dem nahegelegenen Truppenübungsplatz als Gefechtsstand verteidigen könnten, während seine Soldaten versuchen, die Stellung einzunehmen, alle ausgerüstet mit MILES (ähnlich wie AGDUS), das die Briten anfordern können.
Aber kleine Schritte zuerst! 1 Company ist die am weitesten entwickelte Kompanie des britischen Bataillons und dessen Kommandeur schlug auch gleich vor, wir sollten mit dieser Kompanie als Partner anfangen. Gesagt, getan und so war mein nächster Termin mit dem Kompaniechef Maj B. ist Reservist und wohnt in Cambridge, ca. 1,5 Stunden von Norwich entfernt. Zuerst wollten wir uns am Sonntag - und typisch britisch - in einem Pub auf halbem Wege treffen, aber Omikron bewegte uns damals zum Umdenken und so trafen wir uns zu einem Spaziergang mitsamt Majors-Hund im Thetford Forest. Zwei Stunden später war klar, dass es sehr viel Potential und Interesse seitens der britischen Kompanie- sowie Bataillonsführung an einer Partnerschaft gibt.
Was das britische Regiment so macht, kann man in den
Jahresmagazinen des Regiments nachlesen. 2019 gab es übrigens die 100. Ausgabe, denn das Regimentsmagazin gibt es bereits seit 1965.
Der grobe Plan, den wir in den Tagen darauf virtuell und im Regiments-Stab in Bury St. Edmunds entwarfen, sieht eine langsame, aber stetige Entwicklung über drei bis vier Jahre hinweg vor, angefangen von Austauschen einzelner Soldaten bis über Austausche kleinerer Gruppen mitsamt Teilnahme an Übungen/Schießen, bis hin zu einer gemeinsamen "force on force"-Übung in Zug- bzw. Kompaniestärke. Solch ein stetiger Plan gibt allen Zeit, sich auf die Herausforderungen einer Partnerschaft einzustellen, Genehmigungen bzw. Bewilligungen einzuholen, die Finanzierung sicherzustellen, etc.
Das war der Plan. Doch die 10. Panzerdivision lehnte ab, denn diese hat Partnerschaften mit Letten und Amerikanern, nicht Briten. Man verwies mich an die 1. Panzerdivision, die Partnerschaften mit Briten unterhält. Ich rief bei Einsatz 1 an und hatte glücklicherweise Oberstleutnant G. am Telefon. Der war vorsichtig interessiert. So kam ich mit Einsatz 1 in Kontakt. Ein Kontakt, der schließlich zu meiner Beorderung dort führen sollte und, nach weiteren Vorbereitungen, den gegenseitigen Besuchen im September und Oktober 2022. Ich bin gespannt wie es weitergeht.